[masterslider id=“32″]

Die Politik des Alltags

07.05. – 17.06.2022

Wir freuen uns in Zusammenarbeit mit Kiang Malingue, Hongkong, die Ausstellung „Politik des Alltags“ zu präsentieren. In Werken, die im Laufe des letzten Jahrzehnts entstanden sind, beschäftigen sich die fünf ausgewählten Künstler und Künstlerinnen mit den Realitäten des Alltags in ihrer jeweiligen Heimat: Taipei, Hongkong, Berlin, New York bzw. Peking. Dabei schlagen die Arbeiten den Bogen von akribisch figurativen bis zu abstrakten material- und prozessorientierten Gemälden, die auf subtile Weise, die Erlebnisse von Fortschritt und Krise des letzten Jahrzehnts untersuchen und kommentieren.

Yuan Yuan (geb. 1973) ist bekannt für seine erstaunlich komplexe Darstellung architektonischer Räume und für die Einbeziehung traditioneller chinesischer Malereiperspektiven in Gemälden, die sich ansonsten intensiv mit westlichen künstlerischen Traditionen auseinandersetzen. In den Werken des in Berlin lebenden Künstlers finden sich seltsam disparate lokale Elemente: von Farb- und Lichttönen, die an die europäische Malerei erinnern, zu Innenräumen und Gebäuderuinen, die eindeutig chinesisch wirken, verdichtet der Künstler Eindrücke aus der Heimat und dem heutigen Umfeld zu beeindruckenden Kompositionen, denen häufig eine Melancholie für eine sich rapide wandelnde Umgebung anhaftet.  2019 wurde Yuan Yuans Werk im Rahmen der Ausstellung „Durch Mauern gehen“ im Berliner Martin-Gropius-Bau zum ersten Mal in größerem Rahmen in Deutschland präsentiert.

Als einer der angesehensten Künstler Taiwans, präsentiert Chou Yu-Cheng (geb. 1976, lebt und arbeitet in Taipei) Ausstellungen und Projekte, in denen er Skulptur und Malerei mit einer konzeptionellen Rahmen verbindet. Vor einem Jahrzehnt führte Chou beispielsweise eine Langzeitstudie mit einem taiwanesischen Zeitarbeiter in seinen Sechzigern durch, um den Begriff der Arbeit zu erforschen. Das Projekt mündete in einer Gruppe abstrakter Gemälde, einer detaillierten biografischen Darstellung und eines performativen Elements. Hausmeister, Haushälter, Techniker und die allgemeine Öffentlichkeit sind alle Chous häufige Mitwirkenden für seine Projekte. Die in der Ausstellung vertretene Moody-Serie ist ein weiterer Strang in seinem Oeuvre: Chou befasst sich seit langem mit Themen der Umweltverschmutzung in seiner Heimat und der künstlerischen Verantwortung in diesem Zusammenhang. Daraus entstand in den letzten Jahren die Moody-Serie von üppig farbenen abstrakten Gemälden. Dabei ist der schöpferische Prozess analog zur allmählichen Sedimentationsbewegung und der Aufnahme menschlicher Abfälle durch die Natur. Digital und willkürlich im Erscheinungsbild, erfordern die Werke eine lange handwerkliche Vorbereitung und eine besonders feine künstlerische Fertigkeit. Wasser fließt, gesteuert vom Künstler, über die Oberfläche des Werkes und trägt dabei Ströme von Acrylfarbe mit sich. Dieser Prozess kann als Parallele der alltäglichen Akkumulation und des andauernden Kampfes der Kräfte gelesen werden: Eruptionen, Ausbrüche, Differenzierung und Bewegung umgeben uns bewusst und unbewusst jeden Tag. Chou Yu-Cheng ausgewählte Einzelausstellungen fanden unter anderem statt in: Künstlerhaus Bethanien, Berlin (2015); Kaohsiung Fine Art Museum, Kaohsiung (2015); Taipei Fine Art Museum, Taipei (2014); Kuandu Museum of Fine Arts, Taipei (2011); Museum of Contemporary Art Denver, Colorado (2008).

Ko Sin Tungs (geb. 1987) Werk vertritt einen konzeptionellen Ansatz: ihre jüngsten großformatigen Rauminstallationen umfassen beispielsweise den Rückbau des Galerieraums der Kiang Malingue Galerie in Hongkong oder die Umwandlung eines chinesisch-japanischen Kriegsbunkers in Peking in einen klinischen reinen Ort, an dem Operationen stattfinden könnten. Ihre Gemäldeserien hingegen basieren häufig auf Photographien ihrer Heimat: Von der Künstlerin selbst aufgenommen oder von Suchmaschinen zusammengestellt, schneidet, vergrößert und verwischt sie die Bilder von Hongkong, sodass sie sich Lese- und Interpretationsversuchen widersetzen. Oftmals verschwommene, nahezu blinde Nahaufnahmen von Alltagsszenarien, die scheinbar auf verschiedene spielerische Weise zensiert werden, legen eine Beziehung zu den Veränderungen der letzten Jahre nahe. So können Ko’s Mixed-Media-Malereien eng mit denen von Yuan Yuan verglichen werden, als eine topologische Sicht dessen, was es bedeutet in einer Grenzsituation zu sein. Ko Sin Tung lebt und arbeitet in Hong Kong.

Homer Shew (geb. 1990) wurde in Chicago geboren und wuchs dort auf. Shew portraitiert seit 2015 asiatische Amerikaner aus allen Gesellschaftsschichten. Vom Vater des Künstlers als unernstes Projekt verworfen (‚Asiaten sind kein ernsthaftes Thema für Ölmalerei‘), untersucht die Gemäldeserie die vielfältigen Identitäten der Portraitierten: Gelehrte, Kuratoren, Aktivisten, Vermieter, Schöffen und Freunde aus der Kindheit. Homer Shew lebt und arbeitet in New York.

Zheng Zhou (geb. 1969) ist ein instinktiver Maler der ad-hoc Alltagsbeobachtungen auf die Leinwand bringt. Einzelfiguren, Menschengruppen, Tiere und Objekte sind die Alltagselemente, die zu Protagonisten seiner Gemälde werden. So mischt er Elemente aus altchinesischen Sagen und Erzählungen ein und webt daraus eine Komposition des Mythologischen mit unserer heutigen säkularen Gesellschaft. Durch und durch eindringlich ist die Verbindung von gespenstisch leeren Hintergründen, willkürlich angeordneten Details und grimmig umrissenen Figuren. Manchmal meint man Spuren von Peking, Wenzhou oder Hangzhou zu erkennen. Gleichzeitig sieht man Charaktere verschiedener klassischer Erzählungen, meint die berühmte Figur des Affenkönigs, der einen toten menschlichen Körper vor sich hat, wiederzuerkennen. So ist Zheng besonders daran interessiert sorgfältig die raren Momente des Unglaublichen und Unheimlichen im Alltag abzubilden.

Ausgewählte Werke der Ausstellung